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Karin Hochradl:
Reflexionen über Elfriede Jelineks Neid
Aspekte einer werkimmanenten sowie grundsätzlichen Disponierung eines musikalischen Diskurses
Elfriede Jelineks erster Abschnitt ihres neuen Romans Neid entspricht einer kontinuierlichen, bipolar konzipierten Annäherung an den Themenkomplex Musik, indem anfänglich primär kommerzielle Faktoren sowie zeitgeistige Aspekte thematisiert und schließlich pädagogisch-didaktische, mitunter autobiographisch konnotierte Inhalte integriert werden. Als Konnex zwischen diesen beiden Themenfeldern agieren Brigitte K., als subkutane Protagonistin, sowie diverse, fix in den Text eingebundene Zitationsmuster, welche durchaus allusionsartigen Duktus aufweisen.
Im Hinblick auf das semantische Feld von Gesellschaftskritik lässt sich unsere Gesellschaft mit dem Schlagwort des musikalischen „Spaßfaktors“ (Neid 1,1) beschreiben. Jeder kennt, hört, macht oder lädt Musik aus dem Internet, wodurch diese Kunstform zu einem omnipräsenten Medium avanciert und dergestalt bis auf seine Grenzen strapaziert wird. Unsere Spaßgesellschaft speist sich aus trivialer, seichter Unterhaltung und lässt Tiefgang vermissen, da alle Strukturen höchst schnell- wie kurzlebig anmuten: Charts, äußere Erscheinungsbilder, gecastete Karrieren, Schnitte in Video-Clips sowie Erlernen diverser Instrumente anhand von Crash-Kursen oder Play-along-CDs. Für langjährige Instrumentalausbildung fehlen oftmals Zeit, Ausdauer sowie Beständigkeit, nur mehr vereinzelte Idealisten streben nach einer andauernden, aber tiefgreifenden und detailfreudigen Beschäftigung, so auch Brigitte K., die (wiederholt angekündigte) zentrale Figur dieses Romans. Brigitte wirkt antiquiert und erfährt eine beinah epigonenhafte Zeichnung, indem die Autorin ihr soziales Gefüge als Geigenlehrerin an einer Kleinstadtmusikschule in Bruck an der Mur beschreibt, welche u.a. permanent mit der drohenden Schließung sowie Wegrationalisierung konfrontiert scheint. weiterlesen
Karin Hochradl ist Literaturwissenschaftlerin, Gesangssolistin, Chorleiterin, Dirigentin, Chorsängerin, Musik- und Instrumentalpädagogin. Studium der Musikpädagogik (Querflöte, Klavier), Germanistik und Gesang an der Universität Mozarteum in Salzburg. Hauptberuflich seit 17 Jahren Professorin für Musik, Deutsch und Gesang. Derzeit stellvertretende Leiterin des BORG Oberndorf. Berufsbegleitend schrieb sie ihre Dissertation an der Abteilung Musikwissenschaft des Mozarteum Salzburgs zum Thema Olga Neuwirths und Elfriede Jelineks gemeinsames Musiktheaterschaffen, welche im Jahr 2011 im Peter Lang Verlag veröffentlicht wurde.
ZITIERWEISE
Hochradl, Karin: Reflexionen über Elfriede Jelineks „Neid“. /musik-als-motiv/karin-hochradl/(Datum der Einsichtnahme) (= Elfriede Jelinek und die Musik. Intermediales Wissenschaftsportal des Elfriede Jelinek-Forschungszentrums).