Die Klavierspielerin Melodrama in einem Akt (drei Teile) nach dem gleichnamigen Roman von Elfriede Jelinek

Textgrundlage
Jelineks Roman Die Klavierspielerin (1983)

Textfassung und Komposition | Patricia Jünger (1988)

Musikalische Besetzung
Mezzokoloratursopran, Sprecherin, zwei SchlagzeugerInnen, Tonband.

Aufführungen
UA | 11.11.1989 Theater Basel, I: Barbara Mundel, Veit Volkert; ML: Jürg Henneberger


Bei Patricia Jüngers Oper Die Klavierspielerin handelt es sich um die Bühnenfassung ihrerFunkoper Die Klavierspielerin (1988). Die Oper war ein Auftragswerk des Südwestfunk Baden-Baden und des Theater Basel. Die Handlung des Romans wird von einem Mezzokoloratursopran und einer Sprecherin erzählt. Zentrale Aspekte sind die Beziehung zwischen Erika Kohut und ihrer Mutter, der Drill zur Musik und der voyeuristische Blick auf den weiblichen Körper. Für die klangliche Gestaltung werden u.a. aneinandergeschlagene Hölzer, Metalle und Felle verwendet. Über das Zuspielband werden sowohl gesungene Passagen als auch Percussion-Sequenzen eingespielt.
Jünger distanzierte sich von der Uraufführungsproduktion des Theater Basel und bezeichnete die musikalische Umsetzung ihrer Komposition als ungenügend.


Patricia Jünger hat Zitate aus dem Roman zu einem Libretto sich steigernder Aggressivität montiert und eine Partitur geschrieben. Interessiert daran hat die Komponistin „die Schaffung des Lipizzaners“, die Hybridzüchtung von künstlerischer Spitzenleistung: „Das kann nur über eine erpresste libidinöse Beziehung gehen. Am Beispiel der Erika Kohut soll dem Publikum etwas klarwerden über die Demütigungen,
die der tägliche Betrieb Künstlern antut.“ […] Elfriede Jelineks Sprache zieht die Leser – und wohl auch die Interpreten – in eine sadomasochistische Interaktion förmlich hinein. Sie umschmeichelt einerseits die „geliebten Tonkünstler“ und verachtet andererseits die „Kuh Musik“. Sie spricht von Sparkassen-Schlitzen und meint klaffende Wunden. Sie lockt den Leser mit bissigem Witz und straft ihn dann mit Trivialem.
Patricia Jünger zieht die Schraube noch fester an: „Meine Musik ist quasi das Exekutivkommando dessen, was die Sprache ist.“ Elfriede Jelinek hat ihrer Meinung nach eine „Grammatik des Trivialen“ aus Sprachversatzstücken geschaffen und verknüpft „den emotionslosen Sprachkitsch, in dem Leere liegt“ zu seiner – realen – bösen Bedeutung. Herrschaft als Ritual der Wiederholung. Konsens nicht als Einigung, sondern als Repetition von Leerformeln. Das kann man nicht „sagen“ im Text, nur „vollziehen“ in der Musik. Patricia Jünger komponiert es als Ritual. Ein Grundmodell wird addiert, und die Summe kommt wieder zur Addition: „Ein metastasischer Prozess, ein Muttergeschwulst.“ Am Schluss wird die Tochter im Koloraturmezzosopran siegen, doch: „Ihr Körper ist ein einziger grosser Kühlschrank, in dem sich Kunst gut hält.“ Das Ideal reiner Musik als vom Körper befreiter Klang ist der Tod. Der bürgerliche Kunstbegriff wird hingerichtet. Für Patricia Jünger ist das eine „große Liebeserklärung an die menschliche Stimme“.

aus: Christine Richard: Die Züchtung des Lipizzaners. In: Basler Zeitung, 9.11.1989.

aus: Janke, Pia: Elfriede Jelinek. Werk und Rezeption. Teil 2. Wien: Praesens Verlag 2014 (= DISKURSE.KONTEXTE.IMPULSE. Publikationen des Elfriede Jelinek-Forschungszentrums 10), S. 728-729.


ZITIERWEISE
/bearbeitungen-von-anderen/patricia-juenger/die-klavierspielerin/ (Datum der Einsichtnahme) (= Elfriede Jelinek und die Musik. Intermediales Wissenschaftsportal des Elfriede Jelinek-Forschungszentrums).