Olga Neuwirth im Gespräch mit Pia JankeSpiel mit Formen und Bedeutungsebenen


Pia Janke
: Olga Neuwirth ist eine der wichtigsten künstlerischen Partnerinnen von Elfriede Jelinek. Es gibt mehrere gemeinsame Werke, Hörstücke, ein Oratorium, Opern und Tanztheater. Gerade für unseren Kontext sind diese Werke überaus interessant, weil das Arbeiten mit verschiedenen Medien von zentraler Bedeutung ist, die Überlagerung von Sprache, Musik, Akustischem, Szenischem, Video und Film, wodurch komplexe Schichtungen und Strukturen entstehen. Meine erste Frage bezieht sich auf die Sprache Elfriede Jelineks. Diese Sprache ist ja sehr dicht, und es ist eine musikalische, eine klangliche Sprache. Jelinek selbst sagt, dass sie kompositorisch mit dem Sprachmaterial umgeht. Was kann man damit noch musikalisch tun? Muss man diese Sprache aufreißen, oder kommt mit der Musik eine neue Ebene hinzu?
Olga Neuwirth: Wir Komponisten sind immer Usurpatoren im Land der Dichter, es geht gar nicht anders. Es kommt nur darauf an, was man damit will und wie man damit umgeht. Die jelineksche Sprache braucht keine Musik, weil sie schon so dicht ist und von sich aus „klingt“. Meine Musik ist auch dicht, eigentlich sind wir also überdicht und überfordern… (lacht). Ich kenne Elfriede Jelinek seit meinem fünfzehnten Lebensjahr, und es gibt eine Metaebene des Verständnisses und des Vertrauens. Das Schöne an der Zusammenarbeit ist, dass ich mit den Texten letzten Endes machen kann, was ich will, und dass sie mir vertraut, sodass ich aus ihnen eine Textfassung erstellen kann, mit der ich weiterarbeiten kann. Ein Libretto muss sehr kurz sein und prägnant, sonst hat die Musik keinen Platz mehr, oder es dauert eben sonst Stunden über Stunden… Durch die Musik entsteht etwas Anderes, Neues. Ich spreche hier ja nicht von Theatermusik.
Pia Janke: Es hat ja verschiedene Formen der Zusammenarbeit gegeben. Elfriede Jelinek hat Texte für Sie geschrieben, bzw. Sie haben bereits vorhandene Texte weiter bearbeitet. Haben Sie auch die Libretti, die Jelinek für Sie verfasst hat, noch weiter bearbeitet, oder waren sie eine fixe Vorgabe, die Sie vertont haben? weiterlesen

aus: Janke, Pia (Hg.): Elfriede Jelinek: „ICH WILL KEIN THEATER“. Mediale Überschreitungen. Wien: Praesens Verlag 2007 (= DISKURSE.KONTEXTE.IMPULSE. Publikationen des Elfriede Jelinek-Forschungszentrums 3), S. 410-422.


Pia Janke Studium der Germanistik und Theaterwissenschaft, Lehrgang für Kulturmanagement. Zunächst Musiktheaterdramaturgin u.a. an der Wiener Staatsoper und der Oper Bonn. Ao. Univ.-Prof. am Institut für Germanistik der Universität Wien, Habilitation über politische Massenfestspiele in Österreich 1918-38. 2004 Gründung des Elfriede Jelinek-Forschungszentrums, seither Leiterin. Organisatorin von interdisziplinären Symposien, Ausstellungskuratorin. Lehraufträge an der Wiener Universität für angewandte Kunst und an der Musikuniversität. Bücher u.a. zu Peter Handke, Thomas Bernhard, Elfriede Jelinek, zum Libretto und zu interdisziplinären Themen.

Olga Neuwirth Studium der Komposition in Wien, San Francisco und Paris. 2012 Premiere von The Outcast nach Leben und Werk von Herman Melville und American Lulu, eine Neuinterpretation von Alban Berg’s Lulu. Masaot/Clocks without Hands, geschrieben für die Wiener Philharmoniker, wurde im Mai 2015 in Köln unter der Leitung von Daniel Harding uraufgeführt. 2016 war sie composer-in-residence beim Lucerne Festival. Seit 2006 Mitglied der Berliner Akademie der Künste und seit 2013 Mitglied der Akademie der Künste München. Sie erhielt verschiedene nationale und internationale Preise, u.a. Ernst Krenek-Preis für Bählamms Fest (1999), den Großen Österreichischen Staatspreis (2010) und den Deutschen Musikautorenpreis (2017).


ZITIERWEISE
Janke, Pia: Spiel mit Formen und Bedeutungsebenen. Olga Neuwirth im Gespräch mit Pia Janke. /ueber-musik-komponistinnen/zu-olga-neuwirth/olga-neuwirth-pia-janke/ (Datum der Einsichtnahme) (= Elfriede Jelinek und die Musik. Intermediales Wissenschaftsportal des Elfriede Jelinek-Forschungszentrums).