Robert der TeufelKommunal-Oper in 2 Akten nach einem weststeirischen Märchen gedichtet und komponiert von Deutschlandsberger Kindern und Jugendlichen

Libretto-Vorlage
Robert, der Teufel. In: Kainz, Walter (Hg.): Weststeirische Sagen. Graz: Verlag für Sammler 1974, S. 134-137.

Komposition
Hansjörg Arndt, Helmut Kleindienst, Max Koch, Daniel Kügerl, Gerd Kühr, Olga Neuwirth, Victor Rieß und Arno Steinwider.
Von Olga Neuwirth stammen das Lied Roberts Ich hab’s satt, die Tänze von Wassermann, Scharbock und Haberngoaß und das Lied der Prinzessin Jetzt hat die Liebe mich endlich getroffen.
Gerd Kühr komponierte für die Oper Chöre, die unter dem Titel Acht Chöre im Volksliedton für vier Frauenstimmen (Quartett ad lib.) aus der Kommunaloper „Robert der Teufel“, 1985 auch als eigenständige musikalische Nummern zur Aufführung kommen können.

Personen
Mutter (Sopran); Vater / Eremit (Tenor); Robert (Spiel-Bariton); Briefträger / Kaufhauskönig; Tochter (Sopran, Kinderstimme); 3 Geister (Haberngoaß, Scharbock, Wassermann); 3 Räuber (Pantomimen oder Tänzer); Armes Paar (wird von Vater und Mutter dargestellt); Chor (Quartett aus Frauenstimmen).

Orchester
Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass, 1., 2. und 3. Klarinette, Bassklarinette, Hackbrett, Steirische Harmonika, Schlagzeug, Klavier.

Abdruck des Librettos
Als Beiheft zur Musikfibel zum 2. Jugendmusikfest Deutschlandsberg 14.-27. Oktober 1985.

Aufführungen
UA | 27.10.1985 Koralmhalle, Deutschlandsberg (im Rahmen des 2. Jugendmusikfestes Deutschlandsberg beim steirischen herbst), I: Brigitta Trommler, ML: Gerd Kühr


Jelinek verfasste das Libretto für das von Hans Werner Henze geleitete 2. Jugendmusikfest Deutschlandsberg im Rahmen des steirischen herbstes 1985. Die Oper wurde gemeinsam mit Deutschlandsberger Jugendlichen erarbeitet. Von sieben Jugendlichen, unter ihnen Olga Neuwirth (der Kontakt zwischen Jelinek und Neuwirth ergab sich bei dieser Produktion), stammen, unter Anleitung von Gerd Kühr und Stefan Hakenberg, die Kompositionen und, unter Anleitung von Hans Hoffer, das Bühnenbild.
Auf Anregung von Henze wählte Jelinek für ihr Libretto, in das sie Gedichte der Jugendlichen einarbeitete, die gleichnamige weststeirische Sage aus mündlicher Überlieferung (aus Ligist), wobei sie aktuelle Ereignisse wie die Schließung der Deutschlandsberger Zündholzfabrik und die damit verbundene Arbeitslosigkeit sowie die Stationierung von Abfangjägern in der Steiermark einbezog. Das in zwei Akte gegliederte Libretto spielt ironisch mit dem Inventar von Sagen und Märchen und integriert Elemente des Kasperltheaters und der Slapstick-Komödie. Jelinek greift Reim- und Strophenformen sowie traditionelle Libretto-Elemente auf, die die musikalische Ausgestaltung in Form von Arien, Ensembles, Chören, Ballett und Zwischenspielen vorgeben. Die musikalischen Nummern
sind durch dialogische Passagen voneinander getrennt.
Inhaltlich zeigt Jelinek den Protest gegen Profitgier, Gewalt und Kriegstreiberei: Die zunächst stumme Tochter des Kaufhaus-Königs ruft zur Zerstörung
der Waffen auf, mit denen ihr Vater Geschäfte machen will und revoltiert auch gegen die ihr als Frau zugedachte Rolle als Hausfrau und Mutter. Ihre Form des sozial engagierten Widerstands wird gegen den individual-anarchistischen Terror von Robert und seiner Räuberbande gesetzt.


In meinen Arbeiten geht es mir nicht darum, bestimmte Figuren psychologisch von allen Seiten zu beleuchten, sie zu charakterisieren und dann auf einer Bühne auftreten zu lassen. Vielmehr versuche ich, um bestimmte Ideen, Ideologien oder auch nur Meinungen vor das Publikum zu stellen, Bedeutungsträger zu konstruieren, die dann die jeweilige Handlung zu vertreten haben, möglichst überzeugend oder eben weniger überzeugend: wer hat jetzt recht? Das Publikum entscheidet selbst. Die handelnden Personen in der alten steirischen Sage „Robert der Teufel“ waren ja auch keine Menschen mit bestimmten Eigenschaften, Fehlern und Schwächen, sondern sie waren wie auf einem Holzschnitt, eben wie im Märchen; die stumme Prinzessin, der reuige Verbrecher, die guten Eltern, und dazu noch viele Soldaten und viel Volk. Da normalerweise Männer die Handlung der Opern und Theaterstücke vorantreiben und bestimmen, war es für mich klar, daß diesmal eine Frau diejenige zu sein hätte, die die Mechanismen der Geschichte früher begreift als die anderen und der Handlung durch ihr eigenes Agieren immer den gewissen Drall gibt: die Prinzessin. Schon ihr Stummsein, ihr Schweigen, in der Sage nicht näher definiert, aber durch Liebe, eben zu dem Grafensohn Robert (der Teufel!), aber auch durch die Wahrheit (in der Sage ist die Prinzessin stumme Zeugin eines Betrugs, den sie dann an der richtigen Stelle natürlich aufklärt, wozu sie sich der Sprache bedienen muß und endlich auch kann), durch das Aussprechen der Wahrheit geheilt, ist nicht einfach eine Krankheit, die ihr zugestoßen ist aufgrund eines höheren Schicksals, es ist ein Akt der Verweigerung, also Aktivität, und das sogar schon im Märchen, wie ich behaupte.
In meiner modernen Adaption, wenn man es so nennen mag, ist sie aktive Kämpferin gegen Militarismus, Profitmachertum und Kriegstreiberei, verkörpert durch ihren Vater, der in seinem Kaufhaus Kriegsmaterial verhökert. Sie durchschaut alles, und sie bestimmt, auch als Nichtsprecherin, den Fortgang der Geschichte. Ihr Sprechen angesichts Roberts im Augenblick der Liebe ist bei mir nichts als ironische Floskel, ein boshafter Seitenhieb, wenn man so will, auf alle Ideologien, die da behaupten, eine Frau könne sich nur durch die und in der Liebe definieren, nur durch einen Mann ein Schicksal erhalten. Die Prinzessin ist auch die treibende Kraft, wenn es gilt, die ehemaligen Terroristen, die Räuber, zu nützlicherem Tun, nämlich dem Diebstahl und der Zerstörung der Raketen und sonstigen Waffen zu animieren, und sie begreift selbst auch rasch die Sinnlosigkeit des individual-anarchistischen Terrors, also der Gewalt, die sich in räuberischen Einzelaktionen erschöpft, ohne eine politische Zielrichtung zu haben. Sie manipuliert geschickt ihre Mit-Räuber, auch bei der Gründung der neuen Zündholzfabrik, in der alle ihr ihnen gebührendes Plätzchen finden, während sich der Waffenkrösus, in Pension gegangen, in den sonnigen
Süden absetzt. 

aus: Elfriede Jelinek: Die Figuren in Robert der Teufel. In: Musikfibel zum 2. Jugendmusikfest Deutschlandsberg 14.-27. Oktober 1985, S. 52-54.

aus: Janke, Pia: Elfriede Jelinek. Werk und Rezeption. Teil 1. Wien: Praesens Verlag 2014 (= DISKURSE.KONTEXTE.IMPULSE. Publikationen des Elfriede Jelinek-Forschungszentrums 10), S. 259-261.


ZITIERWEISE
Robert der Teufel. /libretti/robert-der-teufel/information/ (Datum der Einsichtnahme) (= Elfriede Jelinek und die Musik. Intermediales Wissenschaftsportal des Elfriede Jelinek-Forschungszentrums).